Fahrzeugelektronik
22.04.2023
Häufig ergibt sich die Notwendigkeit, Standort und gefahrene Strecke eines Fahrzeugs nachhalten zu können. Bei einem (behaupteten) Diebstahl können mit Hilfe der Fahrzeugelektronik die tatsächlichen Fahrzeugbewegungen der Schilderung des Versicherungsnehmers/Anspruchstellers/Geschädigten gegenübergestellt werden:
Behauptet wurde die Entwendung eines BMW 730i im Wert von 37.000,- Euro am 12.03.2005 in Bratislava. Nach Schilderung der Ehefrau habe man beim Warten auf die Polizei "in der Kälte im Parkhaus herumgestanden". Der bei der Versicherung abgegebene (sonst gibt es ohnehin kein Geld) Fahrzeugschlüssel hatte als Zeitpunkt der letzten Benutzung den 04.05.2005 bei einer Temperatur von 18 Grad gespeichert. Klage abgewiesen, Urteil des OLG Köln vom 24.11.2009 - 9 U 77/09 -.
Um an die Daten zu kommen, holen die Gerichte die sich mit Händen und Füssen sträubenden Hersteller ins Boot:
Es "wird gem. §§ 142 Abs. 1, 144 ZPO angeordnet, dass die BMW AG ... die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und Unterlagen ...hinterlegten Daten zu den Fahrbewegungen des Fahrzeugs BMW mit der FIN ... für die Zeit vom ... bis ...in einer von einem Sachverständigen auswertbaren Form vorzulegen" hat, LG Wuppertal, Beschluss vom 02.09.2016 - 5 O 381/14 -.
Bei einer angeblichen Entwendung hochwertiger Fahrzeugteile (Auto noch da) hat der Hersteller "das gesamte Ausleseprotokoll der Fahrzeugelektronik vom ... zu dem Fahrzeug ... in einer durch einen Sachverständigen auswertbaren Form zur Verfügung zu stellen," LG Essen, Beschluss vom 18.02.2022 - 18 O 330/19 -
Straftätern kommt man mittels § 100k StPO (Strafprozessordnung) - Erhebung von Nutzungsdaten bei Telemediendiensten - auf die (Fahr)spur. Um die Fahrbewegungen nachvollziehen zu können, hat der Hersteller "über in Echtzeit anfallende, ihm auf einem Server zugängliche GPS-Standortdaten eines Kraftfahrzeugs Auskunft zu erteilen." Ausdrücklich klargestellt wird die Befugnis, auch auf weitere Daten zuzugreifen. Die eichhörnchenartige Sammelwut der Betreiber (im vorliegenden Fall Mercedes me connect) verschmäht nichts und speichert auch Belegung des Beifahrersitzes, Reifendruck, Tankinhalt, eingesetztes Telefon und wer weiss was sonst. Um dem Hersteller seine Verpflichtung zur Datenlieferung klarzumachen, waren drei Instanzen erforderlich, zuletzt OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.07.2021 - 3 Ws 369/21 -.
Merke: Fahrzeugelektronik ist geschwätzig und verräterisch.